Talsperrenleitzentrale
des Ruhrverbands

Abflussjahr 2022 an der Ruhr: Jahresmitteltemperatur war erstmals zweistellig

Mittwoch, 09. November 2022 (10:00 Uhr)

Schon 14 Jahre in Folge zu wenig Regen – in Summe fehlt mehr als ein Jahresniederschlag

 

Nachdem schon der Sommer 2022 im Ruhreinzugsgebiet gleich mehrere neue Trockenheits- und Wärmerekorde aufgestellt hat, bestätigt auch der Blick auf das gesamte Abflussjahr (1. November 2021 bis 31. Oktober 2022) diesen eindeutigen Trend. Die Auswertungen des Ruhrverbands haben zum ersten Mal seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1881 eine zweistellige Jahresmitteltemperatur ergeben. Mit 10,1 Grad war das Abflussjahr 2022 im Vergleich zum langjährigen Mittelwert der Zeitreihe 1991 bis 2020 um 1,2 Grad zu warm. Vergleicht man den Wert mit der 30-jährigen Zeitreihe 1961 bis 1990, also vor Beginn der Klimaerwärmung, beträgt die Abweichung sogar 2,1 Grad. Bis auf den November 2021 sowie April und September 2022 war auch jeder einzelne Monat im Abflussjahr wärmer als der langjährige Vergleichswert, der August sogar der wärmste, der je gemessen wurde.

 

Mit 882 Millimetern Gebietsniederschlag (166 Millimeter bzw. 16 Prozent weniger als im langjährigen Mittel) war 2022 das 14. Abflussjahr in Folge mit einem Niederschlagsdefizit. Summiert man die Niederschlagsdefizite dieser 14 Abflussjahre seit 2009 auf, fehlen 1.408 Millimeter, was mehr als dem 1,3-Fachen eines durchschnittlichen Jahresniederschlags im Ruhreinzugsgebiet entspricht. Vier Monate des Abflussjahres 2022 (Januar, Februar, April und September) wiesen einen Niederschlagsüberschuss auf, die anderen acht hingegen ein Defizit. Der meiste Niederschlag fiel im Februar mit 162 Millimetern und auch der September war mit 139 Millimetern deutlich zu nass. Markant zu trocken waren hingegen die Monate März mit 18 Millimetern und August mit 14 Millimetern Niederschlag. Der August war damit nicht nur der wärmste, sondern auch der trockenste seit Beginn der Aufzeichnungen.

 

Da der Sommer 2021 mit 33 Prozent mehr Niederschlag als im langjährigen Mittel der nasseste Sommer seit fast 15 Jahren gewesen war, hatten die Talsperren deutlich weniger Wasser zur Aufrechterhaltung der Mindestwasserführung an das Flusssystem abgeben müssen als in den Sommern zuvor. Daher lag der Gesamtstauinhalt aller Talsperren im Ruhreinzugsgebiet zu Beginn des Abflussjahres 2022 (also am 1. November 2021) mit 378,9 Millionen Kubikmetern bzw. 80 Prozent vom Vollstau um gut 14 Prozent über dem langjährigen Mittel. Seinen höchsten Gesamtfüllstand im Abflussjahr 2022 verzeichnete das System am 10. April 2022 mit 96 Prozent vom Vollstau (5 Prozent über dem langjährigen Mittel).

 

Ab Ende April 2022 wurde das Talsperrenverbundsystem jedoch zur Aufrechterhaltung der Mindestwasserführung in der Ruhr kontinuierlich abgestaut und erreichte am 24. Oktober 2022 mit 65,5 Prozent vom Vollstau den niedrigsten Füllstand des Abflussjahres 2022. Eine Woche später, am „Wasserwirtschaftssilvester“ (31. Oktober 2022), lag der Gesamtstauinhalt bei 65,7 Prozent vom Vollstau und damit um knapp 7 Prozent unter dem langjährigen Mittel. Anders als das Vorjahr hat das neue Abflussjahr 2023 am 1. November also bereits mit einem Füllstandsdefizit begonnen.

Die anhaltende und inzwischen mehrjährige Trockenheit erforderten auch dieses Jahr, die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerte zur Einhaltung der Mindestabflüsse in der Ruhr bei Villigst/Schwerte und auf der Gewässerstrecke vom Pegel Hattingen bis zur Ruhrmündung zu reduzieren. 2022 war damit das vierte Abflussjahr in Folge, in dem ein solcher Eingriff in die Bewirtschaftung des Talsperrenverbundsystems notwendig war.

 

Unter Berücksichtigung der reduzierten Grenzwerte haben die Ruhrverbandstalsperren im Abflussjahr 2022 jederzeit genug Wasser zur Einhaltung der Mindestabflüsse an der Ruhr abgegeben. Zuschusspflicht herrschte im Abflussjahr 2022 in Villigst nach vorläufigen Berechnungen an 164 Tagen und an der Mündung an 90 Tagen. Zum Vergleich: Im Abflussjahr 2021, das zwar insgesamt ebenfalls zu trocken, aber in den Sommermonaten erheblich zu nass war, hatte es in Villigst lediglich 109 und an der Mündung sogar nur 13 zuschusspflichtige Tage gegeben.

Abflussjahre (auch hydrologische Jahre oder Wasserwirtschaftsjahre genannt) weichen von den Kalenderjahren ab, damit in der Jahresbilanz auch Niederschläge in Form von Schnee und Eis, die bereits im Frühwinter fallen, erfasst werden können. Sie werden nämlich erst im folgenden Kalenderjahr als Schmelzwasser abflusswirksam. In Deutschland legt eine DIN-Norm das Abflussjahr jeweils vom 1. November bis zum 31. Oktober fest, weil die Wasserreserven Ende Oktober erfahrungsgemäß am geringsten sind.

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