Angepasste Regeln erlauben flexiblere und klimaresilientere Steuerung der Wasserabgaben
Seit Mitte Juni 2025 ist der neue Bewirtschaftungsplan der Ennepetalsperre in Kraft. Dieser wurde vom
Ruhrverband in Abstimmung mit dem Trinkwasserversorger AVU Gevelsberg erarbeitet und durch die
Bezirksregierung Arnsberg genehmigt. Der Bewirtschaftungsplan regelt unter anderem präzise, welche
Wassermenge als Mindestabgabe aus der Talsperre an das Unterwasser abgegeben werden muss.
Dazu wird der Stauraum der Ennepetalsperre in horizontale Bereiche aufgeteilt, die so genannten
Bewirtschaftungslamellen. Je niedriger der Füllstand in der Talsperre ist, desto tiefer liegt die in Anspruch
genommene Bewirtschaftungslamelle und desto geringer wird die vorgeschriebene Mindestwassermenge,
die an das Unterwasser abgegeben werden muss. Die Mindestabgabemenge variiert außerdem nach
Jahreszeit, das heißt, sie ist in den Sommermonaten geringer als im Winter.
Der bislang gültige Bewirtschaftungsplan stammte aus dem Jahr 2003, allerdings musste aufgrund
außergewöhnlicher Trockenheit in den Jahren 2018, 2019, 2020, 2022 und im aktuellen Jahr 2025 mit
Genehmigung der Bezirksregierung Arnsberg zur Sicherung der Wasserversorgung davon abgewichen
werden. Dabei wurde jeweils vorzeitig eine untere Bewirtschaftungslamelle in Anspruch genommen, also
konkret eine geringere Abgabe ans Unterwasser geleistet, als dies beim aktuellen Stauinhalt und zur
entsprechenden Jahreszeit laut Bewirtschaftungsplan eigentlich der Fall gewesen wäre. Dies diente
dem Ziel, die Wasservorräte in der Talsperre zu schonen und die Sicherheit der Trinkwasserversorgung
zu erhöhen.
Neuer Bewirtschaftungsplan berücksichtigt jahreszeitliche Schwankungen im Stauinhalt
Da aufgrund des Klimawandels künftig sowohl häufiger mit langen Trockenperioden als auch mit starken
Niederschlagsereignissen und nachfolgendem Hochwasser gerechnet werden muss, hat der Ruhrverband
einen neuen Bewirtschaftungsplan erarbeitet, den die Bezirksregierung Arnsberg unter Beteiligung
zuständiger Fachbehörden im Juni 2025 genehmigt hat.
Herzstück des Bewirtschaftungsplans ist die Einführung variierender Lamellengrenzen, die nicht allein
den Stauinhalt betrachten, sondern auch die Jahreszeit berücksichtigen. Auf Grund jahreszeitlicher
Schwankungen ist es nämlich ein großer Unterschied, ob der Stauinhalt von acht Millionen Kubikmeter,
der bislang ganzjährig die erste Lamellengrenze zur erlaubten Reduzierung der Mindestwasserabgabe
darstellte, im Frühjahr oder im Herbst auftritt.
Während acht Millionen Kubikmeter Stauinhalt in den Monaten September und Oktober normal sind und
keine Reduzierung der Mindestabgabe erfordern, sind dieselben acht Millionen Kubikmeter im April ein
außergewöhnlich niedriger Stauinhalt, den es in den 75 Jahren seit Aufzeichnungsbeginn erst viermal
gegeben hat. Um diesem Unterschied Rechnung zu tragen, liegen die Lamellengrenzen im neuen
Bewirtschaftungsplan im Frühjahr höher als im Herbst, sodass künftig auf Stauinhalte, die für die jeweilige
Jahreszeit ungewöhnlich niedrig sind, flexibler reagiert werden kann.
Zusätzlich wurde eine Zuflussregelung in den neuen Bewirtschaftungsplan aufgenommen, die besagt, dass
die Abgabe aus der Ennepetalsperre auf 100 Liter pro Sekunde reduziert werden darf, sobald der
Talsperre an drei aufeinanderfolgenden Tagen im Mittel weniger als 100 Liter pro Sekunde zugeflossen
sind. Durch die Veränderung der Lamellengrenzen und die zusätzliche Zuflussregelung wird nicht nur die
Sicherheit der Trinkwasserversorgung erhöht, es wird auch die Wasserführung im Unterlauf der Talsperre
dynamischer und naturnäher gestaltet als zuvor.
Hochwasserschutzraum: Bisher freiwillig, künftig in bestimmten Situationen verbindlich
Zudem ermöglichen die Anpassungen im Bewirtschaftungsplan die erstmalige Einführung eines so
genannten situativen Hochwasserschutzraums im Umfang von zehn Prozent des Gesamtstauvolumens der
Ennepetalsperre. Situativ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Ruhrverband den Hochwasserschutzraum
rechtzeitig bereitstellen muss, wenn das Eintreten eines Hochwasserereignisses in naher
Zukunft aufgrund entsprechender Wettervorhersagen absehbar ist, und ihn ansonsten zur Vergrößerung
des Wasservorrats einstauen darf. Diese Regelung erlaubt eine flexiblere und damit klimaresilientere
Bewirtschaftung, als dies bei einem dauerhaft festgelegten Hochwasserschutzraum der Fall wäre.
Auch in den vergangenen Jahren hat der Ruhrverband rechtzeitig vor absehbaren Hochwasserereignissen
freie Stauraumkapazitäten geschaffen und diese genutzt, um durch das Zurückhalten großer
Wassermengen in der Talsperre und die verzögerte Abgabe nach dem Abklingen der Regenfälle
Hochwasserspitzen zu mindern. Allerdings geschah dies bislang auf freiwilliger Basis. Welche Wirkung
diese situationsangepasste Talsperrensteuerung entfalten kann, zeigte sich eindrucksvoll beim extremen
Hochwasserereignis vom Juli 2021: Hätte der Ruhrverband damals nicht in den Tagen zuvor
Hochwasserschutzraum in der Ennepetalsperre geschaffen und diesen während des Hochwassers
eingestaut, dann hätte der höchste Abfluss am flussabwärts gelegenen Pegel Hagen-Haspe nicht
bei 150, sondern bei weit über 200 Kubikmetern pro Sekunde gelegen und es wären weitaus größere
Gebiete unterhalb der Talsperre überschwemmt worden.
Begleitendes Monitoring und geplante ökologische Maßnahmen
Begleitet wird der neue Bewirtschaftungsplan in den kommenden Jahren von einem umfassenden
Monitoring, auf das sich Ruhrverband und Bezirksregierung verständigt haben, um Erkenntnisse über
etwaige positive oder negative Effekte der dynamischeren und naturnäheren Talsperrensteuerung auf die
Gewässergüte und -ökologie im Unterlauf der Talsperre und den dortigen geschützten Flora-FaunaHabitat-Gebieten
(FFH-Gebieten) zu gewinnen. Untersucht werden neben den allgemeinen chemischphysikalischen Parametern
auch die biologischen Qualitätskomponenten „Makrozoobenthos“ und
„Fischfauna“ mittels Elektrobefischung durch qualifizierte Befischungsteams. Des Weiteren plant der
Ruhrverband im kommenden Herbst die Anpflanzung von Ufergehölzen entlang der Ennepe im
Ennepetaler Ortsteil Burg, damit das Gewässer dort künftig besser beschattet wird und sich weniger stark
aufheizen kann.
Zum Hintergrund:
Die Ennepetalsperre wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts erbaut und ihre Bruchsteinmauer schon kurz
nach der Fertigstellung um rund zehn Meter erhöht. Ihr Gesamtvolumen beträgt 12,6 Millionen Kubikmeter.
Hauptzufluss ist die Ennepe, die in Hagen in die Volme mündet. Der Ruhrverband bewirtschaftet die
Trinkwassertalsperre, aus der die AVU Gevelsberg jährlich zwischen sieben und zehn Millionen
Kubikmeter Rohwasser entnimmt und zu Trinkwasser aufbereitet. Auf diese Weise werden rund
145.000 Menschen im südlichen Ennepe-Ruhr-Kreis aus der Ennepetalsperre mit Trinkwasser versorgt.